Seit ich denken kann, tippe ich am Computer. Mit etwa 6 Jahren durfte ich am PC meines Vaters gelegentlich „Charly der Clown“ spielen. Mit 10 hatte ich meinen eigenen Computer, mit 13 den ersten Informatik-Unterricht.
Ich habe programmiert. Ich habe gezockt. Ich habe gechattet. Und das immer mit 6 Fingern! Das Zehnfingersystem habe ich nie gelernt, nicht als Kind, nicht als Jugendlicher und auch nicht in der Uni. Es hat sich nicht ergeben – und ich habe es nicht vermisst. Meine individuelle Tipptechnik war nie ein Problem: Auf 60-70 Wörter pro Minute kam ich, bei einer Fehlerquote von 1-2%. Es hat immer gereicht, vor allem für Prosa. Bei Hausarbeiten, Blog-Artikeln oder journalistischen Texten war meine Tipptechnik nie ein limitierender Faktor. Und doch habe ich mit 30 Jahren beschlossen, dem Zehnfingersystem eine Chance zu geben. Warum?
Code erfordert mehr Technik als Fließtext
Beim Coden habe ich mir regelrecht die Finger verbogen. Eckige Klammern hier, geschweifte Klammern da, Punkte, Anführungszeichen und und und. Je länger ich in der Softwareentwicklung gearbeitet hatte, desto mehr wurde das Tippen zur Last. Insbesondere, wenn ich triviale aber umfangreichere Code-Strukturen schreiben wollte. Auch vertippte ich mich häufiger, als meine Kollegen das taten. Also habe ich meinen Sommerurlaub – eine 18 tägige Auszeit von Beruf und Hobby – genutzt, um mit TypingClub meine Tipp-Technik auf ein neues Level zu bringen. Geübt habe ich jeden Tag etwa 30 Minuten, ca. 15 Minuten am Morgen und weitere 15 Minuten am Nachmittag.
Zehnfingersystem lernen – eine verwirrende Angelegenheit
Während die ersten Übungen sehr einfach sind – wiederholt zwei unterschiedliche Tasten, zum Beispiel „f“ und „j“ zu tippen – wird es schnell zur Herausforderung, auch die Finger in das Tippen einzubinden, mit denen man zuvor praktisch nie eine Taste berührt hat. In meinem Fall waren das die kleinen Finger.
Am dritten Tag hatte ich einen Kursfortschritt erreicht, an dem alle gängigen Tasten in die Übungen eingebunden waren. Doch es zeichnete sich ein Problem ab… abseits der Übungen konnte ich praktisch nicht mehr richtig tippen. Das Zehnfingersystem saß noch nicht. Die Fehlerrate war hoch, die Tippgeschwindigkeit niedrig. Und auch mein bisheriges Tippverhalten fühlte sich plötzlich fremd an. So kam es, dass ich meinen Laptop für einige Tage nur noch zum Üben verwendete und alle weiteren Dinge mit meinem Smartphone erledigte. In dieser Zeit war ich froh, das Experiment im Urlaub gestartet zu haben.
Nach etwa 10 Tagen konnte ich wieder fehlerfrei tippen. Die Geschwindigkeit war noch immer niedrig, etwa 40 Wörter pro Minute hatte ich erreicht. Von nun an wechselte ich zu einer anderen Übungsvariante: statt irgendwelcher Tastenanschlagsübungen tippte ich nur noch Texte auf Zeit. Hierzu habe ich 10fingersfast.com verwendet.
In wenigen Tagen hatte sich meine durchschnittliche Tippgeschwindigkeit von 40 wpm auf ca. 70 wpm erhöht. Insbesondere die Übungen mit C++-Code gefielen mir, da diese mich auf meinen eigentlichen Anwendungsbereich vorbereiteten.
Herausforderung Alltag
Kaum war der Urlaub vorbei, saß ich wieder vor meinem Arbeits-PC. Ziemlich schnell musste ich feststellen, dass natürliche Kommunikation via Chat nicht mit Diktat-ähnlichen Übungen zu vergleichen ist. Im Alltag tat ich mich erneut schwer, schnell und fehlerfrei zu tippen. Eine knappe Woche hat es gedauert, bis ich auch im Arbeitsalltag meine gewohnte Schreibgeschwindigkeit wiedererlangt hatte.
Inzwischen schreibe ich etwa 80 Wörter pro Minute, Fehler passieren mir nur selten und insbesondere beim Programmieren zahlt sich der Aufwand durch eine gesündere, weniger anstrengende Haltung aus.
Fazit und Rückblick
Wer nur mit 2-6 Fingern tippt und unter 70 Wörter pro Minute erreicht, sollte dem Zehnfingersystem unbedingt eine Chance geben. Natürlich: Aller Anfang ist schwer. Und basierend auf meiner Erfahrung würde ich empfehlen, die ersten Schritte ebenfalls in einer Urlaubswoche zu wagen. Sobald man sich an das Zehnfingersystem gewöhnt hat, kommen die Hände mit weniger Bewegung aus und die Finger ermüden weniger, als bei einer improvisierten Tipptechnik.
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